Wer ist hier eigentlich der Schauspieler?
Auch wenn ich das so gerne hätte: Keineswegs werde ich immer von allen mit offenen Armen empfangen. Wenn ich als Schauspieler oder Speaker in Unternehmen komme, schaue ich regelmäßig auch in skeptische, mitunter misstrauische oder gar ablehnende Gesichter. Ich sehe förmlich die Denkblasen über ihren Köpfen: „Wir wollen Ergebnisse. Was soll jetzt dieses Theater?“ Einmal traf ich in einem DAX-Konzern auf einen Manager, der mir tatsächlich unverblümt sagte, was er dachte: „Nehmen Sie’s mir nicht krumm, aber Sie sind Schauspieler. Was wollen Sie mir schon beibringen? Ich verstehe nicht, warum unser Vorstand Sie geholt hat.“ Ein Magic Moment, in dem Du zeigen kannst, was wirklich in Dir steckt…
Ich ließ ihn zunächst weiterreden: „Ich bin hier seit Jahren im Top-Management und habe mir diesen Posten ehrlich erarbeitet. Diese Position verlangt verantwortungsvolles Verhalten. Schauspieler sind mir suspekt. Ihr Beruf ist es, anderen Menschen etwas vorzuspielen, finden Sie das nicht selbst anstrengend und irgendwie unehrlich?“ Großartige Frage, manchmal ist mein Beruf anstrengend, das stimmt – aber unehrlich ist er nicht. Emotionales Management gehört zu unseren Aufgaben als Schauspieler. Diese Fähigkeit hilft auch dabei, sich in andere hineinzuversetzen, empathisch zu agieren. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen und Emotionen wie Situationen bewusst und intensiv auszuleben. Ich fragte den Manager, ob er denn in seiner Position auch seinen Emotionen freien Lauf lasse. „Natürlich nicht!“ seine ebenso ehrliche wie professionelle Antwort. „Das dachte ich mir“, entgegnete ich ihm: „Doch wer von uns beiden ist dann der Schauspieler?“ Er wurde ganz still, dachte lange nach, ehe er geradezu bedächtig antwortete: „Ich lege jeden Tag eine emotionale Rüstung an, bevor ich ins Büro gehe.“
Verstehen Sie mich nicht falsch, so eine emotionale Rüstung ist nichts Schlechtes. Nicht umsonst heißt es im Unternehmen „Führungsrolle“. Wir alle spielen in bestimmte Konstellationen bestimmte Rollen – als Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetzte. Das kann und will ich auch nicht ändern, manche Themen und Gefühle sind einfach nicht förderlich für ein gutes Arbeitsklima. Doch manchmal hilft es, sich bewusst zu machen, welche Rolle ein jeder spielt und ob ich diese Rolle so überhaupt noch spielen möchte. Und manchmal ist es auch sehr förderlich, seine Emotionen zuzulassen, sich mit Mitarbeitern und den Team ehrlich zu freuen, ehrliche Empathie zu zeigen, wenn jemand eine Herausforderung hat, sich Zeit zu nehmen für ein persönliches Gespräch auf Augenhöhe abseits der jeweiligen Hierarchie…
Dazu kann ich Ihnen als Improvisations-Schauspieler zwei wichtige Dinge für Ihre Bühne mitgeben:
1. Ich fülle eine Rolle dann authentisch aus, wenn ich mich selbst gut kenne und mir treu bleibe, indem ich Nuancen meines Charakters dafür heranziehe. Je nach Setting in unterschiedlichen Intensitätsgraden, aber immer aus meiner Persönlichkeit heraus. Dann ist es ehrlich, denn dann stellen wir Aspekte unserer eigenen Persönlichkeit zur Verfügung ohne zu spielen, ohne uns und anderen etwas vorzumachen.
2. Je offener und klarer ich mit meinen Mitspielern umgehe, desto harmonischer wird das Stück, weil diese meine Rolle erkennen, verstehen und damit arbeiten können. Und genau das Gleiche gilt dann auch in Unternehmen.
Bleiben Sie inspiriert und inspirieren Sie andere!
Frederik Malsy
Wie wahr, wie wahr.
Und ein gutes Beispiel für den Selbstbetrug vieler Menschen, wenn es um das Miteinander und Verstehen anderer Positionen und Denkmuster geht. Gerade der Berufsalltag ist in vielen Unternehmen großes Theater von Komödie bis Tragödie.
Aber anscheinend hat die Selbsterkenntnis bei besagtem Manager auch schnell eingesetzt, dank deiner souveränen Denkanstöße lieber Fred. Und ich gehe mal davon aus, dass er als Chef auch dadurch etwas gelernt hat.
Sehr schöne Geschichte. Weiter so und weiterhin erfolgreiches Rollenspiel.
LG